Runde 5

RED BULL vs. PIT BULL

Es gibt immer wieder Unsicherheiten, was zu tun sei, wenn eine grenzüberschreitende Markenverletzung vorliegt. Die Situation wird noch schlimmer, wenn bei der Markenverletzung mehrere Unternehmen an Standorten in verschiedenen Ländern beteiligt sind, die jeweils nur einen Teil der gesamten Verletzungshandlungen vollziehen. In dieser Runde stellen wir uns die Frage, ob es in solch einer Konstellation ratsam ist, gegen Markenverletzer vorzugehen oder ob es hoffnungslos ist.

Die Beteiligten

Klägerin
In diesem Fall haben sich die Markenverletzer einen Gegner ausgesucht, der für seinen Kampfgeist zumindest in sportlicher Hinsicht bekannt ist.

Das österreichische Unternehmen Red Bull GmbH ist Inhaber der Wortmarke RED BULL in der Europäischen Union. Sie ist unter anderem für Energy Drinks in Klasse 32 und viele andere Waren und Dienstleistungen eingetragen.
Die Red Bull GmbH vertreibt Energy Drinks unter dem Namen „Red Bull Energy Drink“ in Dosen.

Erstbeklagte
Das bulgarische Unternehmen N. produziert in Bulgarien Flaschen und Dosen des Energy Drinks „Pit Bull“. Das Unternehmen N. lieferte zumindest im Jahr 2009 ihre Produkte auch nach Österreich.

Zweitbeklagte
Das Unternehmen G. hat einen Sitz in Wien und vertreibt unter anderem Pit Bull in Österreich.

Fakten

  • Mit Anmeldetag 6.12.2000 wurde die Gemeinschaftsmarke (heute: Unionsmarke) „PITBULL bit by the pit“ unter anderem für Powerdrinks eingetragen.
  • Am 26.3.2008 hat die Red Bull GmbH einen Löschungsantrag gegen die angemeldete Gemeinschaftsmarke gestellt.
  • Die bulgarische Marke „Pit Bull“ wurde am 6.11.2003 von der Erstbeklagten, dem herstellenden Unternehmen N., angemeldet.
  • Am 11.11.2005 hat die Red Bull GmbH einen Löschungsantrag gegen die angemeldete bulgarische Marke gestellt.

ERKLÄRUNGEN

Löschungsantrag
Stellt der Inhaber einer älteren Marke fest, dass eine jüngere Marke mit seiner älteren Marke verwechselbar ist, empfiehlt es sich, einen Löschungsantrag gegen die jüngere Marke zu stellen. Ist dieser erfolgreich, wird die jüngere Marke aus dem Markenregister gelöscht.

Unterlassungsklage
Eine Unterlassungsklage hat zum Ziel, dem verurteilten Beklagten gerichtlich vorzuschreiben, ein bestimmtes Verhalten künftig zu unterlassen.

Im Bereich des Markenrechtes wird also Unterlassung des Gebrauchs der „geschäftsstörenden“ Marke beantragt.

Ist die Unterlassungsklage erfolgreich, so darf der Beklagte seine Marke in Zukunft nicht mehr verwenden.

Die Klage

Am 8.6.2011 hat die Red Bull GmbH beim Handelsgericht Wien Klage wegen Verletzung ihrer Marke erhoben.

Die Red Bull GmbH klagt das Unternehmen N. in seiner Eigenschaft als Hersteller (Erstbeklagte) und das Unternehmen G. in seiner Eigenschaft als Importeur (Zweitbeklagte) unter anderem auf Unterlassung, Beseitigung und Auskunft.
Die Red Bull GmbH verfolgt das Ziel, ihren Mitbewerbern zu verbieten, Energy Drinks mit der Bezeichnung „Pit Bull“ in der Europäischen Union anzubieten.

Argumente

Die Erstbeklagte, das herstellende Unternehmen N., meint: Das Handelsgericht in Wien sei für diese Klage nicht zuständig, da das Unternehmen N. ausschließlich in Bulgarien tätig sei. Der Name „Pit Bull“ leite sich vom Wort „Bulgarien“ ab und verwässere daher nicht den Bekanntheitsgrad von Red Bull. Außerdem werde das Getränk nicht nur in Dosen, sondern auch in Flaschen angeboten. Die äußere Aufmachung unterscheide sich deutlich voneinander.

Die Erstbeklagte gibt an, dass die Zweitbeklagte, das importierende Unternehmen G., das Produkt nicht von ihr hätte und das Produkt ohne Wissen der Erstbeklagten in Österreich verkauft habe. Außerdem seien jegliche Ansprüche der Red Bull GmbH hinsichtlich einer Löschung der Marke „Pit Bull“ verwirkt, da diese mehr als 5 Jahre eingetragen und verwendet worden sei, bevor die Red Bull GmbH den Löschungsantrag stellte.

Die Red Bull GmbH wendet ein:

  • „Pit Bull“ sei derart angelegt, dass es bewusst Assoziationen mit Red Bull hervorrufen solle, und nütze dabei die Wertschätzung von Red Bull in unlauterer Weise aus.
  • Das Unternehmen N. vertreibe „Pit Bull“ auch in Dosen, die am oberen Rand mit der Aufschrift „Produced in Austria“ versehen seien.
  • Die dreijährige Verjährungsfrist beginne erst ab der Kenntnis der Markenverletzung zu laufen und nicht ab Eintragung der Marke.
  • Das Unternehmen N. hafte für die Herstellung und den Vertrieb von „Pit Bull“, das Unternehmen G. für dessen Vertrieb.
    Die beiden Parteien könnten in einem gemeinsamen Verfahren geklagt werden, da es sich um ein- und dieselbe Verletzungshandlung handle.
  • Die ausschließliche Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien sei gegeben, weil sich die Klagebegehren auf Gemeinschaftsmarken (heute: Unionsmarken) stützten. Das Handelsgericht Wien sei gemeinschaftsweit zuständig, wenn eine der beklagten Parteien den Sitz in Österreich habe.

HINWEISE

  • Ein Verbot von Handlungen, die eine Unionsmarke verletzen, hat eine gewisse Reichweite.
    Diese bestimmt sich aus folgenden Faktoren:
    1) der territorialen Zuständigkeit des Unionsmarkengerichts, das dieses Verbot ausspricht, und
    2) der territorialen Reichweite der älteren Marke.
  • Für eine Markenverletzung kann es ausreichen, wenn das Publikum die beiden Marken lediglich gedanklich miteinander in Verbindung bringt. Diese Situation kann bereits eine Rufausbeutung darstellen.

WAS MEINEN SIE?

Können die beiden Fälle gegen den Hersteller, das bulgarische Unternehmen N., und gegen den Importeur, das Unternehmen G. mit Sitz in Österreich, in einem gemeinsamen Verfahren behandelt werden?

Ist dafür das Handelsgericht Wien zuständig, und gilt das Urteil auch für das bulgarische Unternehmen N.?

Liegt Ihrer Meinung nach überhaupt eine Markenverletzung vor?